Nachrichtendetails

Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen – Wunschträume, Lippenbekenntnisse oder: Welche Wege zur Umsetzung gibt es?

Die SDGs (Sustainable Development Goals) wurden im Jahr 2015 von den Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen in der „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ beschlossen. Die 17 Ziele sollen eine nachhaltige Entwicklung unserer Welt zum Wohle aller Menschen und der Umwelt unterstützen und beschleunigen. In unserer Reihe geht es heute um das vorletzte Ziel: SDG 16 – Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen Konkretisiert werden diese Begriffe durch die folgenden Ziele: • Friedliche und inklusive Gesellschaften schaffen• Alle Formen der organisierten Kriminalität bekämpfe• Leistungsfähige, transparente und rechenschaftspflichtige Institutionen aufbauen• Rechtsstaatlichkeit, allen Menschen Zugang zur Justiz gewährleisten• Korruption bekämpfen• Illegale Finanz- und Waffenströme verringern Was hat das mit Stutensee zu tun?...

31.10.20 –

Die SDGs (Sustainable Development Goals) wurden im Jahr 2015 von den Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen in der „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ beschlossen. Die 17 Ziele sollen eine nachhaltige Entwicklung unserer Welt zum Wohle aller Menschen und der Umwelt unterstützen und beschleunigen. In unserer Reihe geht es heute um das vorletzte Ziel:

SDG 16 – Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen

Konkretisiert werden diese Begriffe durch die folgenden Ziele:

• Friedliche und inklusive Gesellschaften schaffen
• Alle Formen der organisierten Kriminalität bekämpfe
• Leistungsfähige, transparente und rechenschaftspflichtige Institutionen aufbauen • Rechtsstaatlichkeit, allen Menschen Zugang zur Justiz gewährleisten
• Korruption bekämpfen
• Illegale Finanz- und Waffenströme verringern

Was hat das mit Stutensee zu tun?

Auf kommunaler Ebene geht es bei diesem Ziel der UNO darum, durch größtmögliche Beteiligung und Transparenz in den Entscheidungsfindungen aller Institutionen, sei es Gemeinderat oder Verwaltung u.ä., dafür zu sorgen, dass der Verdacht auf Vorteilsnahme Einzelner oder auch das Gefühl von Ungerechtigkeit durch nur schwer nachvollziehbare Entscheidungen nicht entsteht. Wo immer möglich, müssen Bürgerinnen und Bürger in die Diskussionen einbezogen werden, wie dies z.B. schon beim Bürgerbeteiligungsprozess „Zukunft Stutensee Wohnen“ umgesetzt wurde. Allerdings muss aufgepasst werden, dass es sich nicht nur um Scheinbeteiligungen handelt. Jüngstes Beispiel ist das Problem der Linden, die beim Bauprojekt “Wohnpark Mittendrin” neben der Festhalle in Blankenloch im Wege sind und nach Beschluss des Gemeinderats zum größeren Teil abgeholzt  und zum kleinen Teil umgesetzt werden sollen. Junge Anwohnerinnen und Anwohner sowie ihre Unterstützer*nnen haben zurecht angemerkt, dass sie zwar gehört wurden, wie das zukünftige Wohngebiet heißen soll. Das anscheinend schon damals bekannte Problem der Bäume wurde im Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern aber gar nicht zur Diskussion gestellt. Zu den wirklich wichtigen Themen seien sie nicht nach ihrer Meinung gefragt worden, so der nachvollziehbare Vorwurf. Sogar Gemeinderäte machen die Erfahrung, dass bei anstehenden Entscheidungen das Zeitmanagement der Verwaltung nicht gut ist. Zu Anfang eines Entscheidungsprozesses wird bei der Bitte um Erläuterung häufig gesagt, alles habe noch Zeit und es sei zu früh, darüber zu verhandeln. Rückt die Entscheidungsfindung näher, kommt dann die Aussage, jetzt noch etwas zu ändern, sei zu spät. Dieses Vorgehen muss geändert werden.

Für starke Institutionen, die nicht korruptionsanfällig sind, ist es wichtig, dass in ihnen professionell arbeitende Menschen mit guter Ausbildung, Bezahlung und sicheren Arbeitsbedingungen arbeiten, um Bestechungsversuchen zu trotzen.
Ohne Zweifel ist dies bei uns in Stutensee der Fall.
Bisher ist unsere Stadt von Korruptionsskandalen verschont geblieben. Damit dies so bleibt, sollte es im Sinne der Antikorruptionsstrategie eine für Bürgerinnen und Bürger leicht zu erreichende unabhängige Ansprechpartnerin/ einen  unabhängigen Ansprechpartner der Stadt geben, deren/ dessen Aufgabe es ist, eventuellen Beschwerden zu Ungerechtigkeiten und Unregelmäßigkeiten nachzugehen und bei begründetem Verdacht entsprechende Gegenmaßnahmen einzuleiten. Falls es solch eine Beauftragte / solch einen Beauftragten schon gibt, bitte ich um Nachricht darüber. Trotz langer Suche habe ich auf der Homepage der Stadt und bei meinen mündlichen Recherchen keine verwertbare Aussage dazu bekommen können. Ähnlich würde es auch jeder suchenden Mitbürgerin/ jedem suchenden Mitbürger ergehen.

Und wie macht es die Bundesrepublik Deutschland?

In der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie, mit der die 17 Ziele umgesetzt werden sollen, will sich die Bundesregierung in Bezug auf dieses Ziel Nr. 16 laut eigener Aussage auf die Bekämpfung der organisierten Kriminalität, auf die Bekämpfung des illegalen Verkaufs von Waffen und auf eine gute Regierungsführung bzw. die Bekämpfung der Korruption in Wirtschaft und im öffentlichen Dienst konzentrieren. Was ist mit der Inklusion? Hier noch mehr zu unternehmen, scheint für die Bundesregierung nicht dringend notwendig zu sein.

Durch das Geldwäschegesetz, eingeführt 2017, zuletzt geändert Anfang dieses Jahres, soll es der organisierten Kriminalität erschwert werden, verbrecherisch erwirtschaftete Gelder zu investieren und damit zu legalisieren. Durch Transparenz der Geldflüsse großer Summen soll Korruption und Bestechung zwischen Politik, Wirtschaft und evtl. Verwaltung erschwert und bestenfalls verhindert werden. Staatsanwaltschaften und Polizei, aber auch Finanzämter haben mittlerweile einige Erfolge im Kampf gegen die organisierte Kriminalität vorzuweisen, sodass man der Bundesregierung in diesem Bereich erfolgreiches Handeln bestätigen kann. Was den Einfluss der Wirtschaft auf Abgeordnete im Bundes- oder auch Landtag angeht, könnte viel mehr erreicht werden. Die Regierungsparteien im Bund verhindern noch immer, dass Verbindungen von Abgeordneten zur Wirtschaft transparent gemacht werden.

Auch beim illegalen (warum kann das überhaupt legal sein???) Verkauf von Waffen ist die Realität weit von den Zielen entfernt. Noch immer werden mit Billigung des Bundestags – gegen die Stimmen von Bündnis 90/ Die Grünen - Waffen an Krisengebiete verkauft, so z.B. an Saudi-Arabien, die mit den in Deutschland gekauften Panzern Aufständische im Jemen bekämpfen und töten. Noch immer ist der Waffenverkauf an totalitäre Staaten nicht grundsätzlich illegal. Dies widerspricht dem Sinn des SDG 16 und überhaupt den Menschenrechten.

Auf einer Skala von 0 (hohes Maß an wahrgenommener Korruption) bis 100 (keine wahrgenommene Korruption) des Index der Korruptionswahrnehmung (jährlich erhoben von „Transparency International“, einer nicht-staatlichen internationalen Organisation) liegt Deutschland im Jahr 2016 mit 81 Punkten auf Platz 10 hinter z.B. Norwegen und den Niederlanden, aber vor z.B. Frankreich und Spanien. Dieses Ergebnis soll durch eine Präventionsstrategie weiter verbessert werden. Dazu gehören eine Richtlinie, ein Verhaltenskodex sowie Ansprechpersonen zur Korruptionsprävention in allen Behörden auf Bundesebene, aber auch in den Ländern und Kommunen.

Insgesamt sollen alle Ausschreibungen öffentlich gemacht und transparent vergeben werden, mit genügend zeitlichem Spielraum.

Wo fängt es mit „Netzwerken“ und „Vitamin B nutzen“ an und wo hört es bei „Seilschaften“ und „Korruption“ auf?

Jede Kommune sollte verhindern, dass bei der Bevölkerung der Eindruck entstehen kann, im Gemeinderat würden Menschen sitzen, die sich selbst durch Aufträge begünstigen.  Unternehmen, deren Vertreterinnen oder Vertreter im Gemeinderat sitzen, dürfen bei der Vergabe von Aufträgen nicht  bevorzugt werden. Für die kommunale Auftragsvergabe müssen zum Wohle der Allgemeinheit transparente Verfahren und nachvollziehbare Kriterien angewendet werden.

Die weltweite Lage

193 Mitgliedsstaaten der UN haben diese Nachhaltigkeitsziele unterschrieben. Nicht nur in den letzten Tagen fragt man sich, ob die genannten Willensbekundungen nicht reine Lippenbekenntnisse sind. Das Heidelberger Institut für Konfliktforschung hat für das Jahr 2019 19 Kriege und 16 kriegsähnliche Konflikte auf der Welt festgestellt. Während wir hierzulande über den Bürgerkrieg in Syrien mit ca. 250.000 Toten und ca 5 Millionen Geflüchteten seit 2011 einigermaßen gut informiert sind, ist der wieder aufgeflammte Konflikt zwischen der Arbeiterpartei PKK und der Türkei schon weniger präsent. Auch die immer noch stattfindenden Auseinandersetzungen zwischen Separatisten und der Armee im Osten der Ukraine nehmen wir nur noch selten wahr. Ganz neu und darum vorübergehend auch in den Medien vorherrschend ist der Konflikt in Belarus zwischen dem totalitären Regime und der neuen Demokratiebewegung. Neun afrikanische Länder befinden sich zurzeit im Krieg. Davon bekommen wir kaum etwas mit. Immer wieder gibt es Krisen zwischen Ländern wie der Türkei und Griechenland oder dem Iran und den arabischen Nachbarländern sowie den USA. Die Heidelberger Forscherinnen und Forscher fanden heraus, dass die Gründe der Konflikte fast immer entweder ideologischer Natur sind, es um eine Forderung nach einer Abspaltung geht oder um die Verteilung von Ressourcen, z.B. Rohstoffen.

In vielen Staaten werden Minderheiten unterdrückt, verfolgt und teilweise ermordet. Die Gründe können ethnischer, religiöser, kultureller Art sein oder auch in der sexuellen Orientierung liegen. Kriege und Verfolgung sind das Leben bedrohende Gründe für die Flucht von Millionen Menschen.

Wirklich inklusive Gesellschaften, die z.B. auch Menschen mit Handicaps bedarfsorientiert an sie betreffenden Entscheidungen beteiligen und ihnen umfassend Teilhabe an Bildung und Kultur, insgesamt einen Platz in der Gesellschaft ermöglichen, sind auch in entwickelten Industrieländern nicht überall zu finden. Sie sind die Ausnahme. Auch bei uns ist die Forderung nach größtmöglicher Inklusion zur Ermöglichung von Teilhabe z.B. von behinderten Menschen in so vielen Bereichen wie möglich bei weitem nicht erfüllt.

Sehr viele Staaten haben das SDG 16 unterschrieben. Papier ist geduldig. Wer sich nicht an die Vereinbarungen hält, muss keine Sanktionen fürchten. Es sind pure Absichtserklärungen.

Gisa Behrenbeck

Kategorie

BürgerInnenrechte