Wirtschaft mit Zukunft - nur ohne Wachstum?

Der Kreisverband der Grünen hatte am 19.02.2020 Prof. Dr. Niko Paech, Universität Siegen, und Dr. Danyal Bayaz, MdB, Wahlkreis Bruchsal-Schwetzingen, zum Themenabend “Wirtschaft mit Zukunft - nur ohne Wachstum?“ eingeladen. Wenige Stunden zuvor hatte Prof. Paech bereits an der Diskussion mit der KEFF (Regionalen Kompetenzstellen Netzwerk Energieeffizienz) der Umwelt- und Energieagentur Karlsruhe in den Räumlichkeiten des innovativen Passivhaus-Firmengebäudes des Kooperationspartners Dr. Thomas & Partner GmbH in Stutensee teilgenommen...

02.03.20 – von Susanne Suhr –

Der Kreisverband der Grünen hatte am 19.02.2020 Prof. Dr. Niko Paech, Universität Siegen, und Dr. Danyal Bayaz, MdB, Wahlkreis Bruchsal-Schwetzingen, zum Themenabend “Wirtschaft mit Zukunft - nur ohne Wachstum?“ eingeladen. Wenige Stunden zuvor hatte Prof. Paech bereits an der Diskussion mit der KEFF (Regionalen Kompetenzstellen Netzwerk Energieeffizienz) der Umwelt- und Energieagentur Karlsruhe in den Räumlichkeiten des innovativen Passivhaus-Firmengebäudes des Kooperationspartners Dr. Thomas & Partner GmbH in Stutensee teilgenommen. 

Prof. Paech lehrt und forscht an der Universität Siegen als außerplanmäßiger Professor im Bereich der pluralen Ökonomik. Seine Schwerpunkte sind Umweltökonomie, ökologische Ökonomie und Nachhaltigkeitsforschung. Paech ist Wachstumskritiker und hat in Deutschland den Begriff Postwachstumsökonomie geprägt. In seiner Rede ging Paech auf Auszüge seiner Forschungsarbeit und aus dem Buch "All you need ist less", welches er zusammen mit Manfred Folkers geschrieben hat, ein.

Einen spannenden Abend versprach die Diskussion zwischen Paech und Danyal zu werden, denn Paech begann seinen Vortrag, indem er der aktuellen Klimapolitik der Grünen Unehrlichkeit vorwarf. 

Den Menschen müsse viel stärker deutlich gemacht werden, dass das 1,5 Grad Ziel nur erreicht werde, wenn jedes Individuum seinen aktuellen Verbrauch von 12 Tonnen CO2 pro Jahr auf 1-2 Tonnen reduziere. Das gehe nur über eine erhebliche Reduktion unserer Ansprüche an den Wohlstand. 

Er zeigte bei einem Einblick in seine Forschungsarbeit auf, wie dies erreicht werden könne: durch die Reduzierung der Arbeitszeit von 40 auf 20 Stunden pro Woche. Auf der einen Seite werde damit Leistung aus der industriellen Produktion genommen. Auf der anderen Seite wären die neu gewonnenen 20 Stunden nicht durch Konsum und Freizeit, sondern durch Wiedererlangung von Fähigkeiten für die Gemeinschaft zu nutzen: Anbau von Obst und Gemüse, handwerkliche Eigenleistung, reparieren, um Dinge länger zu nutzen, usw. Denkt man dies durch, so wird schnell deutlich, wie einschneidend die Veränderungen für jeden Einzelnen und die Gesellschaft und vor allem für das allseits gewünschte Wachstum wird. Wichtig sei es dennoch, keine Angst, sondern Mut zu machen. Es gehe ihm darum, der Bevölkerung eine aufgeklärte Verantwortung aufzuerlegen, so Paech. Jede*r Einzelne könne sich selbst messen und erkennen, wie viel und an welchen Stellen Einsparung erforderlich sein wird. Er verwies  auf die Berechnung der individuellen CO2-Bilanz über das Umweltbundesamt: https://uba.co2-rechner.de/de_DE/.

Das Wachstum ist der Punkt, an dem Paech und Danyal nicht zum gleichen Ergebnis kommen. Paech rät dringend zu einem Nullwachstum. Wachstum ausschließlich dort fördern, wodurch das übrige Wachstum reduziert wird (also beispielsweise: Urban Farming fördern, industrielle Landwirtschaft reduzieren). Danyal sieht jedoch die Möglichkeit, CO2 und Wachstum zu entkoppeln. Er brachte das Beispiel von Schweden: Dort reduziere sich der CO2 Fußabdruck seit Jahren, ohne das Wachstum zu bremsen oder gar zu reduzieren. 

Auch die Bepreisung von CO2 sieht Paech lediglich als Transparenz-, nicht jedoch als Steuerungsmittel. Der jeweilige CO2-Preis werde keine ehrliche Höhe haben, so dass damit lediglich ein beruhigender Ablasshandel wie im Mittelalter aufgebaut werde, ein Alibi für weiteren CO2-Austoß.  

Danyal erläuterte, dass der CO2-Preis dann effektvoll sei, wenn Alternativen bereit stünden. Und gerade dafür müsse die Politik steuernd eingreifen. So sei es dringend erforderlich, die Bahninfrastruktur zu verbessern. Zusammen mit einem erhöhten CO2-Preis für Kraftverkehr entstünde eine Verlagerung auf die Schiene. 

Das reiche jedoch nicht, so Paech, denn in bestimmten Bereichen wird ersatzlos reduziert werden müssen. Wichtig sei es, sich wieder regional zu orientieren und die Mobilität zu verringern. 

Auf Nachfrage teilte Paech mit, welche Politik er vorschlagen würde: 

- keine Flächen mehr versiegeln
- Unterrichtsfach zum Thema Klimabilanz und Reduktion einführen
- alle Unternehmen mit einem ökologischen Rucksack ausweisen
- Rückbauprogramme für Flughäfen und Autobahnen
- Subventionshaushalte ändern: Landwirtschaft - nur ökologischer Anbau und artgerechte Tierhaltung
- Förderung nach dem Piranha-Prinzip: Reparaturen und Gemeinschaftsnutzung fördern, so dass das Wachstum im Bereich Konsum sinkt. 

Danyal zeigte sich an dieser Stelle versöhnlich, denn dies entspricht natürlich der grünen Programmatik, so dass Wissenschaft und Grüne doch nicht so weit entfernt seien, wie Paech es zu Beginn kritisiert hatte. 

Danyal ergänzte die Punkte um die ökologische Betrachtung des Bundeshaushalts. 

Paech machte nochmals deutlich, dass der Klimawandel jedoch nicht das einzige Problem unserer Zeit ist. Ebenso dringende Themen seien das Artensterben, die Plastikflut und der Flächenverbrauch. 

Für die Teilnehmenden ein spannender Einblick in die Differenzen zwischen Wissenschaft und den Zwängen der Realpolitik und ein Anreiz, sich tiefergehend mit der Forschung zu beschäftigen und den individuellen Fußabdruck weiter zu reduzieren. 



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