Gesundheit

Was bedeutet das Nachhaltigkeitsziel Gesundheit und Wohlergehen?

Das 3. Nachhaltigkeitsziel: „Ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern“ für zukünftiges Handeln vor Ort in Stutensee. Im Gesundheitswesen in Deutschland wird viel Positives geleistet. Viele Menschen arbeiten mit hohem Engagement. Es gibt aber auch Bereiche der Unterversorgung und Fehlsteuerung. So belegt Deutschland im europäischen Vergleich in Bezug auf die Lebenserwartung lediglich einen der mittleren Plätze. Qualifizierte Angebote sind nicht immer da, wo sie gebraucht werden. Gute Leistung wird nicht immer angemessen anerkannt, z.B. im Bereich der Pflege. Gesundheit neu denken, damit möglichst viele Menschen in Deutschland bis ins hohe Alter in Gesundheit leben können. Dafür ist es notwendig, Gesundheitspolitik als Querschnittsaufgabe zu verstehen. Alle Ressorts und alle Ebenen – vom Bund bis zu den Kommunen – stehen in der Verantwortung, aktiv zu einer positiven Gestaltung der Gesundheitspolitik beizutragen...

09.04.20 – von Christine Stemke –

Das 3. Nachhaltigkeitsziel: „Ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern“ für zukünftiges Handeln vor Ort in Stutensee.

Was bedeutet das Nachhaltigkeitsziel Gesundheit und Wohlergehen?

Im Gesundheitswesen in Deutschland wird viel Positives geleistet. Viele Menschen arbeiten mit hohem Engagement. Es gibt aber auch Bereiche der Unterversorgung und Fehlsteuerung. So belegt Deutschland im europäischen Vergleich in Bezug auf die Lebenserwartung lediglich einen der mittleren Plätze. Qualifizierte Angebote sind nicht immer da, wo sie gebraucht werden. Gute Leistung wird nicht immer angemessen anerkannt, z.B. im Bereich der Pflege. Gesundheit neu denken, damit möglichst viele Menschen in Deutschland bis ins hohe Alter in Gesundheit leben können. Dafür ist es notwendig, Gesundheitspolitik als Querschnittsaufgabe zu verstehen. Alle Ressorts und alle Ebenen – vom Bund bis zu den Kommunen – stehen in der Verantwortung, aktiv zu einer positiven Gestaltung der Gesundheitspolitik beizutragen.

Der alle zwei Jahre erscheinende Indikatorenbericht der SDGs des Statistischen Bundesamtes zeigt, wie sich die Indikatoren der Strategie entwickelt haben. Die Ergebnisse für das 3. SDG Gesundheit sind bislang durchwachsen. Besonders erfreulich ist der signifikante Rückgang der Raucher*innen– sowohl bei Jugendlichen als auch bei Erwachsenen. Denn viele Zivilisationskrankheiten wie Lungenkrebs oder Bluthochdruck werden durch Rauchen gefördert. Während die Adipositasrate bei Heranwachsenden stagniert, ist diese bei Erwachsenen weiter angestiegen.

Der Statistik des Bundesamtes nach haben die Hälfte der Industrieländer geringere Gesundheitskosten und eine gesündere Bevölkerung als wir. Wir sind gut in der Akutversorgung. Die Ausgaben für Gesundheit stiegen im Jahr 2018 auf 376 Milliarden Euro. Dies war ein Anstieg um 22 Milliarden Euro gegenüber 2016. Die Ausgaben 2018 entsprachen 11,5 % des Bruttoinlandsprodukts lt. Statistischem Bundesamt und lagen damit an der Spitze innerhalb der EU. Auf jede Einwohner*in entfielen dabei 4.544 Euro pro Jahr.

Ein 65-Jähriger hat heute noch 20 Lebensjahre zu erwarten, davon jedoch nur sieben gesunde. Davon ausgehend, dass Gesundheit ein hoher Maßstab für Lebensqualität ist, ist dieser Zeitraum zu kurz. Die Ursachen für spätere chronische Erkrankungen werden im mittleren Lebensabschnitt gelegt. Unsere Defizite liegen bei den chronischen Erkrankungen. Es braucht hier offensichtlich besondere Anreize für die Menschen, eine gesundheitsförderliche Lebensweise einzuhalten. Hinzu kommt, dass sich gerade bei Hochaltrigen Krankheitsbilder entwickeln, jeder dritte 90-Jährige ist dement und damit aller Wahrscheinlichkeit nach hilfs- oder pflegebedürftig. Im europäischen Schnitt leben wir Deutschen nicht gesund.

Deshalb sollte sich in der Gesundheitspolitik die Zielsetzung von „Wie machen wir die Kranken gesund?“ zu „Wie halten wir die Gesunden gesund?“ ändern. Der Prävention gilt die oberste Priorität. Es sind alle Maßnahmen zu ergreifen, die verhindern, dass ein Mensch früh oder im Idealfall überhaupt pflegebedürftig wird. Außerdem sollte ab dem 65. Lebensjahr zwingend eine geriatrische Rehabilitationsmaßnahme in jedem Krankheitsfall durchgeführt werden.

Schwierig wird in Zukunft die langfristige Sicherung der ärztlichen Versorgung und der Versorgung über Apotheken nach Ansicht der Demografiestrategie von Baden-Württemberg 2018. Der Hausarzt, der sieben Tage in der Woche für 24 Stunden ansprechbar ist, hat ausgedient. Der heutige Medizinabsolvent ist überwiegend weiblich mit dem Wunsch nach einer Angestelltentätigkeit und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Somit stehen einer immer noch steigenden Anzahl von Ärzt*innen stetig sinkende Arztstundenzahlen gegenüber. Angesichts eines Fachkräftemangels im Pflegeberuf, der bereits heute sichtbar ist und der sich wohl nicht mehr entspannen wird, bleibt die pflegerische Versorgung der Hochaltrigen in den Jahren 2040 bis 2060 eine der größten gesellschaftlichen Herausforderungen.

In diesen Tagen ist es unvorstellbar, etwas über Gesundheit und Pflege zu schreiben, ohne den Bezug zur Corona-Pandemie herzustellen. Plötzlich gilt die Pflege als „systemrelevant“. Weltweit stehen Pflegende angesichts der Pandemie vor ungeahnten Herausforderungen. Auch in Deutschland kämpfen sie in vorderster Reihe gegen einen Feind, der ebenso unsichtbar ist wie gefährlich. Ohne den aufopfernden Einsatz dieser „stillen Held*innen“ wäre die wohl größte medizinische Schlacht in der jüngeren Geschichte des Gesundheitswesens von vornherein verloren.

Die Pflegenden sind die Berufsgruppe, die den kontinuierlichsten und engsten Körperkontakt mit den infizierten Patient*innen hat. Die Einhaltung der Hygienemaßnahmen hat für die Pflegefachpersonen in diesen Tagen oberste Priorität, in vielen Krankenhäuser gehen die Vorkehrungen sogar über die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts hinaus. Viele Pflegefachpersonen fühlen sich daher im Krankenhaus sicherer, da sie befürchten, auf der Straße das Virus leichter einfangen zu können. Im Krankenhaus können sie sich optimal schützen. Allerdings ist die Arbeit in den dicken Kitteln, Masken und Schutzbrillen auch anstrengend, da die Masken das Atmen erschweren und sich unter dem Kittel die Wärme staut. Der Aufwand der Schutzkleidungswechsel zwischen den Arbeitsgängen der infizierten Patient*innen und nicht-infizierten Patient*innen, mit Kolleg*innen und anderen Berufsgruppen ist erhöht. Die Zeit, die allein durch die Schutzmaßnahmen erforderlich ist, erhöht das Arbeitspensum zusätzlich. Die Pflegefachpersonen leisten einen unschätzbaren Beitrag für unsere Gesellschaft. Das verdient nicht nur Dank und Anerkennung, sondern vor allem dauerhaft Entlastung und Unterstützung. Irgendwann – und wir wollen alle darauf hoffen – gehen wir wieder zum normalen Tagesgeschäft über. Dann wird die Solidarität mit den Pflegenden zeigen, wie wichtig diese Pflegefachberufe der Gesellschaft auch außerhalb von Krisenzeiten sind. Spätestens dann braucht es neben der erfolgten Reformierung der Ausbildung auch attraktivere Konzepte der Personalbindung in der Pflege, ein besseres Pflegefachkraft – Patient*innen - Verhältnis, finanzielle Aufwertung und eine eigene pflegerische Selbstverwaltung und Interessenvertretung in Form einer Landespflegekammer. In Rheinland-Pfalz gibt es seit 2016 eine Pflegekammer, die momentan mit Hochdruck eine „stille Reserve“ von Pflegenden aufbaut. Zur stillen Reserve zählen Pflegende, die vor längerer Zeit ihren Beruf aufgrund der schlechten Arbeits- und Rahmenbedingungen verlassen haben. Hierzu zählt aber auch ein zentral an der Landespflegekammer angesiedelte Meldestelle für Kurz- und Aufstiegsqualifizierung, um Intensivpflegende zu gewinnen.

Aus diesen Herausforderungen leiten sich für Deutschland viele Handlungsfelder ab, auf die in den nächsten Jahren passgenaue Konzepte entwickelt werden sollten:

• Inanspruchnahme von Präventionsmaßnahmen zur Gesundheitsvorsorge und zur Prävention von chronischen Erkrankungen unter anderem auch speziell für Demenz und Schwerhörigkeit Fördermöglichkeiten, damit sich heute Menschen vor Pflegebedarf schützen können

• Anreizsysteme, um Medizinabsolventen zu motivieren, die Fachrichtung Allgemeinmedizin zu wählen und sich in Praxen in Baden-Württemberg niederzulassen, sowie Förderprogramme speziell für Ärzte in medizinisch unterversorgten Gebieten

• Attraktivitätssteigerung des Pflegeberufs und Erhöhung des Verbleibs von Pflegekräften im Beruf

Anstieg der pflegebedürftigen Menschen als große Herausforderung des Gesundheitssystems

Deutschland ist eine alternde Gesellschaft. Hergebrachte Familienstrukturen sind aufgebrochen. Die Menschen werden erfreulicherweise immer älter. Aber nicht alle bleiben gesund, immer mehr Menschen benötigen ambulante oder stationäre Pflege. Hierzu braucht es passende und flexible Angebote vor Ort – ambulante Pflegedienste, Tages- und Kurzzeitpflege oder gar neue Versorgungsformen der Pflege und Betreuung. Hier sind die Kommunen in der Verantwortung, diese Angebote zu fördern. Für Stutensee benötigen wir laut Kreispflegeplan 2025 ein Angebot an 75 stationären Langzeitpflegeplätzen inkl. Betreuungsplätzen für Menschen mit Demenz, welches in Blankeloch durch die Errichtung eines weiteren Pflegeheimes umgesetzt wird. Daneben benötigen wir aber noch weitere 20 Tagespflegeplätze, weitere Kurzzeitpflegeplätze und stationäre Langzeitpflegeplätze für jüngere pflegebedürftige Menschen, die ohne pflegende Angehörige nicht mehr selbständig in der eigenen Häuslichkeit leben können. Durch Organerkrankungen, körperliche Behinderungen, Schädel-Hirn-Erkrankungen wie z.B. einen Schlaganfall oder neurologischen Erkrankungen wie z.B. Multiple Sklerose steigt die Zahl jüngerer pflegebedürftiger Menschen rapide an. Für diese Gruppe von 45- bis 65 jährigen Menschen gibt es bisher in Stutensee noch kein Angebot, jedoch eine Nachfrage, welche auch ambulante Pflegedienste bescheinigen. Hier gilt es ein Angebot zu schaffen, welches die jüngeren Pflegeheimbewohner*innen in ein Hausgemeinschaftsmodell durch die Kombination von Sozialarbeit und Pflegeangebot in das soziale Leben integriert. Dies sollte bei der Planung des Pflege- und Betreuungskonzeptes für die in Spöck entstehende Einrichtung mitberücksichtigt werden.

Was ist in diesen Tagen anlässlich der Corona-Pandemie erforderlich?

Man kann mit dem Beginn des Krisenmanagements innerhalb Deutschlands seitens der Politik zufrieden sein, aber es ist durchaus nicht so, dass „nur wenige Insider, die unser Gesundheitssystem sehr genau kennen, gewusst oder befürchtet (hätten), dass wir für eine Krisensituation wie die, mit der wir es jetzt zu tun haben, nicht unbedingt optimal aufgestellt sind." Im Gegenteil wurde bereits vor fünf Jahren öffentlich angemahnt, dass Europa im Zeichen der Globalisierung nicht gut genug auf Pandemien vorbereitet ist.

2013 hat das Robert-Koch-Institut einen Bericht mit dem Titel: „Bericht zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz 2012" erstellt. Das Szenario, das in dem Bericht dargestellt wird, sieht folgendermaßen aus:

• Es beschreibt ein „außergewöhnliches Seuchengeschehen, das auf der Verbreitung eines neuartigen Erregers basiert", so die Verfasser. Dort wird ein Pandemie-Szenario dargestellt, das mit dem echten „von Asien ausgehenden" Coronavirus erstaunlich viele Gemeinsamkeiten hat.

• Besonders spannend: der Aspekt zu den Auswirkungen einer solchen Pandemie auf die kritische Infrastruktur und den Gesundheitssektor. So heißt es in dem Bericht: „Arzneimittel, Medizinprodukte, persönliche Schutzausrüstungen und Desinfektionsmittel werden verstärkt nachgefragt. Da Krankenhäuser, Arztpraxen und Behörden in der Regel auf schnelle Nachlieferung angewiesen sind, die Industrie die Nachfrage jedoch nicht mehr vollständig bedienen kann, entstehen Engpässe." Auf diese Empfehlung hat die Bundesregierung nicht adäquat reagiert, wie man in dieser Krise sieht. Ein Pandemie-Plan ist nichts für die Schublade, er muss umgesetzt werden, muss gelebt werden und eine entsprechende Bevorratung muss auch existieren. Das Coronavirus demonstriert eindrucksvoll die Folgen, wenn sich die Gesellschaft nicht auf Katastrophen vorbereitet. Und Katastrophen sind klimabedingt demnächst noch öfter zu erwarten. So hat etwa die Unterbrechung der Lieferketten im Pharmabereich während der anhaltenden Pandemie einer breiten Bevölkerung die Nachteile globalisierter Produktionsweisen aufgezeigt, ein klassisches Grünen-Thema genauso wie der Klimaschutz.

Jetzt gilt es auch über eine Exitstrategie aus der Krise und den Übergang in eine Teilnormalität nachzudenken, die Neuinfektionsrate ist verflacht, wir haben (Stand 4.04.20) eine Verdoppelungszahl der Infektionsrate von 17 Tagen, dies hat die Situation im Gesundheitswesen schon entspannt, obwohl noch keine Entwarnung gegeben werden kann.

Vergleiche zwischen Deutschland, Italien und Spanien zu ziehen, ist nicht fair. Dort wurden in den letzten Jahren die Gesundheitsstandards auf Druck der EU unter federführendem Vorsitz Deutschlands kaputtgespart, die Intensivbetten um mehr als 30 % heruntergefahren, wobei Italien das erste betroffene Land in Europa gewesen ist, welches mit dem Coronavirus konfrontiert wurde. So erfolgreich das deutsche Krisenmanagement momentan aussehen mag, an europäischem Zusammenhalt mangelt es leider sehr.

Ein weiteres Beispiel eines mangelndem europäischen Zusammenhalts und fehlender Solidarität der deutschen Regierung ist, das zigtausende Geflüchtete unter krankmachenden Bedingungen in überfüllten Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln festsitzen, ohne Seife, ohne Dach über dem Kopf, ohne medizinische Versorgung. Mitten in einer Pandemie. Seit Monaten diskutieren die EU-Staaten, was mit diesen Menschen passieren soll. Eine „europäische Lösung“ soll her. Und weil es die nicht gibt, passiert: nichts.

Es gibt in Deutschland mehr als 140 Kommunen, die bereit sind, Geflüchtete aufzunehmen. Wenn davon im Schnitt jede gerade mal 50 Personen aufnimmt – dann wären wir bei 7.000 Menschen, die wir aus dieser unwürdigen Situation herausholen können. Mitten in der Coronakrise auch noch Menschen auf die Kommunen verteilen? fragt so Manche*r. Die Antwort: Gerade jetzt. Und zwar sofort, bevor das Virus sich dort ausbreitet und die Katastrophe nicht mehr aufzuhalten ist.

Wir als Fraktion haben deshalb den Antrag an die Stadt gestellt, dem Bündnis „Sichere Häfen“ beizutreten, um unser entschlossenes Handeln zu signalisieren und Verantwortung zu übernehmen. Gerade Stutensee hat sich schon in jüngerer Vergangenheit durch ein starkes Netzwerk an engagierten Ehrenamtlichen, die entschlossen, zuverlässig und konsequent helfen, in mehrfacher Hinsicht ausgezeichnet.

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