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26.04.20 –
Als fünftes von 17 weltweiten nachhaltigen Zielen der Agenda 2030 beschlossen die Vereinten Nationen im Jahr 2015, dass die Regierungen, die Wirtschaft und allgemein die Zivilgesellschaften ihrer Mitgliedsstaaten überall auf der Welt die Aufgabe haben, bis zum Jahr 2030 für die Gleichheit von Männern und Frauen zu sorgen.
Konkret bedeutet dies:
• Alle Formen von Diskriminierung beseitigen
• Gewalt gegen Frauen beenden/ Prävention gegen Gewalt gewährleisten
• Frauen in Führungspositionen in Wirtschaft, Politik und öffentlichem Leben bringen
• Unbezahlte Pflege- und Hausarbeit anerkennen und gerechter zwischen den Geschlechtern verteilen
• Gleichberechtigten Zugang zu Gesundheitsleistungen ermöglichen
• Kinder- und Zwangsheirat sowie Genitalverstümmelung verhindern
• Gleichen Zugang zu wirtschaftlichen Ressourcen, Technologien und Finanzen gewährleisten
Noch immer können in 18 Ländern der Welt Ehemänner ihren Frauen das Ausüben einer Erwerbsarbeit verbieten und weitere Grundrechte einschränken. In 39 Ländern werden Mädchen und Frauen auch im Jahr 2019 im Erbfall massiv benachteiligt. Nur 13% des landwirtschaftlich genutzten Landes weltweit gehört Frauen.(https://www.un.org/sustainabledevelopment/gender-equality/, angesehen am 14.04.2020)
Global erlitten 19% aller Frauen und Mädchen körperliche Gewalt von ihrem Partner. In 49 Ländern gibt es noch nicht einmal Gesetze, die dies strafrechtlich verfolgen. Immer noch haben viele Mädchen weltweit keine Chance, lesen und schreiben zu lernen. Man schätzt diese Zahl auf 15 Millionen und damit auf etwa 50% mehr als bei den Jungen. (Zahlen laut Bundesregierung, siehe https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/nachhaltigkeitspolitik/gleichstellung-von-frauen-und-maennern-841120, gelesen am 14.04.2020.)
Wer jetzt aber glaubt, dies alles sei ein Problem in Entwicklungsländern, irrt. Obwohl die Gleichberechtigung von Männern und Frauen in unserem Grundgesetz garantiert wird, sieht die Realität in Deutschland anders aus. Was die Bildung angeht, sind die Unterschiede bis zum Abitur nicht so groß; regelmäßig haben Mädchen sogar die besseren Durchschnittsnoten, auch in Mathematik oder Chemie; anschließend aber, bei Ausbildung und Studium, im Bereich der Führungspositionen und der Gehälter ist die Ungerechtigkeit immens. Bis zur Promotion sind Frauen und Männer durchschnittlich zu annähernd gleichen Teilen vertreten, bei der Verteilung der Professuren sind Frauen aber nur noch mit knapp 23% dabei.
Nach einer repräsentativen Umfrage aus dem Jahr 2019 (https://de.statista.com/statistik/daten/studie/290399/umfrage/umfrage-in-deutschland-zum-einkommen-von-frauen-und-maennern/, angesehen am 14.04.2020) hatten 11,2% der Frauen kein eigenes Einkommen gegenüber 5,3% bei den Männern. Bei vielen dieser Frauen kann man vermuten, dass sie unentgeltlich den Haushalt führen und die Kinder erziehen.
„Das bisschen Haushalt macht sich doch allein, sagt mein Mann!“, heißt es in einem Schlager aus dem Jahr 1977. Er karikiert eine Einstellung, die auch heute noch weit verbreitet ist, und zeigt, wie wenig anerkannt diese unbezahlten Tätigkeiten zuhause sind. Die Nichtbezahlung bedeutet schwerwiegende soziale Konsequenzen bei einer Trennung sowie große finanzielle Abhängigkeit vom Partner. Ein Nettoeinkommen von unter 1500 €, das auf eine Teilzeitbeschäftigung hindeutet, war nach der repräsentativen Erhebung bei Frauen jeweils weit öfter anzutreffen als bei Männern, während es bei höheren Gehältern umgekehrt war. Ein Nettoeinkommen von 3000,-€ bis 3500,- € hatten dreimal so viel Männer wie Frauen, ein Nettoeinkommen von 5000,-€ netto oder mehr monatlich achtmal so viel Männer wie Frauen (3,2% zu 0,4%). Was ist daran gerecht?
„Wir fordern die Hälfte der Welt!!!“ oder: Was unterscheidet die 100 Jahre alte Forderung der Frauenrechtsbewegung der Suffragetten aus den USA und Großbritannien von den Zielen der Bundesregierung? Laut Bundesregierung ist die „Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie“ der deutsche Beitrag zur Umsetzung der Gleichheit zwischen den Geschlechtern. Danach soll der Unterschied in den durchschnittlichen Bruttostundenverdiensten bis 2030 auf maximal 10 % reduziert werden und der Anteil von Frauen in Aufsichtsratsräten der börsenorientierten und voll mitbestimmungspflichten Unternehmen bis 2030 auf 30% steigen. Durch Elterngeld, dem flächendeckenden Ausbau der Kinderbetreuung und Ganztagsschulangebot soll eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf erreicht werden. Klischeefreie Berufs- und Studienorientierung soll Berufe von ihrem Image als „Frauen- oder Männerberuf“ befreien und jeweils davon unabhängige Entscheidungen ermöglichen. Gewalt gegen Frauen ist nach wie vor in all ihren Formen verbreitet in Deutschland und soll deshalb durch viele Maßnahmen bekämpft werden, u.a. durch ein kostenloses, barrierefreies und in 18 Sprachen zur Verfügung stehendes Hilfetelefon. Reicht das?
Frauen haben ein Anrecht auf 50% der Anerkennung, auf 50% der guten Jobs, auf 50% der guten Gehälter, auf ein Leben ohne Angst und Gewalt und das nicht erst nach dem Jahr 2030!
Und in Stutensee?
Wir haben eine Bürgermeisterin und sind damit fast schon eine Rarität, denn von den ca. 1100 Gemeinden in Baden-Württemberg haben nur ca. 11% eine Bürgermeisterin. Die Hälfte der Macht in Baden-Württemberg wären ca. 550. Auch was die Führung der Schulen angeht, bilden wir in Stutensee mit zwei Schulleiterinnen an Realschule und Gymnasium rühmliche Ausnahmen in der Bildungslandschaft. Das gilt nicht für den Gemeinderat. Er besteht aus 16 Männern und 10 Frauen. Da kann sich auch so manche Fraktion fragen, wie sie für mehr Geschlechtergerechtigkeit sorgen kann. Und auch in den mir bekannten Unternehmen der Stadt gibt es mehr Chefs als Chefinnen.
Trotz aller erfreulichen Ausreißer in der Stutenseer Statistik lässt sich sagen: Insgesamt sind viel zu wenig Frauen in Führungspositionen. Es darf in naher Zukunft nichts Besonderes mehr sein, als Frau eine solche Position inne zu haben.
Die aktuelle Situation in der Corona-Pandemie zeigt, wie wichtig soziale Berufe z.B. in der Pflege sind, aber auch diejenigen im kaufmännischen Bereich wie im Einzelhandel als Verkäuferin. Diese Berufe, die überwiegend von Frauen ausgeübt werden, sind anerkanntermaßen systemrelevant, aber absolut unterbezahlt. Welchen Zusammenhang gibt es zwischen „Frauenberufen“ und schlechter Bezahlung?
Warum sind die Tarifverträge in diesen Berufen so schlecht? Eine immer wieder gehörte Erklärung ist tatsächlich, dass dies Frauenberufe seien, die traditionell schlechter bezahlt würden. Wenn dies so ist, muss man das schleunigst ändern. Es gibt aber auch dahingehende Erklärungsversuche, dass sie häufig in Teilzeit ausgeübt würden und sich nach dem althergebrachten Familienmodell am besten mit den übrigen üblicherweise von Frauen unentgeltlich zu erledigenden Tätigkeiten im Haushalt und in der Kindererziehung vereinbaren ließen. Schlecht bezahlte Teilzeitarbeit und gar nicht bezahlte Tätigkeit im Haushalt zuhause – das darf nicht so bleiben! Frauen können sich häufig auch wegen finanzieller Abhängigkeit einer leider auch in Deutschland in allen sozialen Schichten vorkommenden häuslichen Gewalt nicht entziehen. Nicht zuletzt in Hinblick auf dieses Problem ist eine menschenwürdige und existenzsichernde Bezahlung unerlässlich. Tätigkeiten in der Pflege, im Einzelhandel, müssen adäquat bezahlt werden, sodass man mit Kindern davon leben kann.
Ganz aktuell wurde dazu in einer Comedy-Sendung folgende Frage gestellt: Warum verdient ein Zimmermann mehr als ein Zimmermädchen? (Warum -mädchen und nicht -frau?)
Damit Klischee-Berufe auch für das jeweils andere Geschlecht interessant werden, muss es eine Angleichung in der Bezahlung und der Möglichkeit von flexiblen Arbeitszeiten zwischen kaufmännischen, industriellen und handwerklichen Berufen geben.
Damit Männer und Frauen wirklich gleichberechtigt sind, müssen vor allem Frauen, aber auch solidarische Männer, weiter darauf bestehen: „Wir fordern die Hälfte der Welt.“ Die Forderung hat leider auch über 100 Jahre, nachdem die Suffragetten diese zum ersten Mal gestellt haben, nichts von ihrer Aktualität verloren.
Von der Bundesregierung und allen wirtschaftlich, politisch und gesellschaftlich Verantwortlichen fordern wir, dass sie ihr nur zögerliches Engagement für die Gleichberechtigung intensivieren, damit die Vereinbarung der Vereinten Nationen kein Lippenbekenntnis bleibt.
Geben wir uns nicht mit weniger als 50% zufrieden!
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