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17.05.21 –
Am 27.04.2021 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe eine bahnbrechende Entscheidung zum Klimaschutzgesetz der Bundesregierung erlassen. Es handelt sich um einen Beschluss, bei welchem es sich lohnt, ihn im Original nachzulesen: BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 24. März 2021 - 1 BvR 2656/18 -, Rn. 1-270
http://www.bverfg.de/e/rs20210324_1bvr265618.html
Was sind die Grund-Aussagen des Urteils?
Das BVerfG hat das Klimaschutzgesetz der Bundesregierung als teilweise nichtig erklärt, da es lediglich bis 2030 plant und dezidierte Maßnahmen fehlen, die bis zur Klimaneutralität durchgeführt werden müssen.
Begründet wird dies mit dem verfassungsrechtlichen Auftrag aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 Grundgesetz (GG), wonach der Staat verpflichtet ist, bei seinen auferlegten Schutzpflichten auch die künftigen Generationen im Blick zu haben. Je mehr Freiheiten wir uns heute bei klimaschädlichen Maßnahmen erlauben, desto weniger Freiheiten werden die künftigen Generationen haben. Ab Randnummer 117 in der BVerfG-Entscheidung wird dies ausgeführt. „[...] das Klimaschutzgesetz erhebliche Anteile der durch Art. 20a GG gebotenen Treibhausgasminderungslasten auf Zeiträume nach 2030 verschiebt.“
Zudem wird es begründet mit Art. 20a GG, welcher den Staat zum Klimaschutz verpflichtet. Dies umfasst auch die Erreichung von Klimaneutralität. Bei der Abwägung von Schutzpflichten des Staates nimmt das Gewicht des Klimaschutzes desto weiter zu, je weniger wir jetzt dafür tun.
Klimawissenschaftler haben berechnet, dass wir nur noch eine begrenzte Menge an Emissionen freisetzen dürfen, bis wir Klimaneutralität erreicht haben müssen. Das BVerfG zitiert über 40-mal aus dem letzten Gutachten des Sachverständigenrats für Umweltfragen der Bundesregierung und verdeutlicht damit, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht mehr angezweifelt werden können, sondern rechtssicher sind.
Was ist jetzt die Aufgabe der Politik?
Die Bundesgrünen haben die folgenden Sofortmaßnahmen formuliert:
Annalena Baerbock: „Unser Vorschlag ist es, jetzt ein Klimaschutz-Sofortprogramm auf den Weg zu bringen mit:
1) einem ambitionierteren Klimaziel, wonach der CO2-Ausstoß bis 2030 um 70% gesenkt werden muss
2) einer deutlichen Beschleunigung des Erneuerbaren-Ausbaus
3) dem Abbau umweltschädlicher Subventionen
4) einem auf 2030 vorgezogenen Kohleausstieg (statt 2038)
5) der Maßgabe, dass ab 2030 nur noch emissionsfreie Autos neu zugelassen werden
6) einem Klimapakt zum Umbau der Industrie.“
Der Klimapakt ist auch deshalb essentiell, da die Industrie und die Gesellschaft zu recht Planungssicherheit von der Bundesregierung erwarten. Klare und verlässliche Rahmenbedingungen fordert beispielsweise auch der Verband Kommunaler Unternehmen.
Das Wirtschaftsministerium könnte also sofort die Photovoltaik-Offensive aus der Schublade holen, welche bislang unter Verschluss liegt. Auch die Abstandsregelung zu Windkraftanlagen könnten sofort geändert werden.
Armin Laschet könnte in NRW die weitere Zerstörung von Wohnhäusern in Garzweiler durch die Erweiterung von Kohleabbaugebieten sofort stoppen.
Ein sofortiges Ende von Nord Stream 2 sollte nun beschlossen werden: Eine Gas-Pipeline widerspricht dem Ausstieg aus fossiler Energie in besonderem Maße und es ist jetzt schon klar, dass Schadensersatzforderungen auf Deutschland zukommen, sollten wir sie in Betrieb nehmen und dann zugunsten des Klimaschutzes aus der Nutzung von fossilem Gas wieder aussteigen wollten.
Angela Merkel könnte am 25. Mai 2021 auf dem Klimagipfel ein Zeichen setzen, dass die Regierung verstanden hat, und die CO2-Reduktion bis 2030 auf mindestens 70 % erhöhen.
„Wir wollen, dass Deutschland wieder Musterschüler wird in Europa. Das sind enorme wirtschaftliche Chancen, diese sollten wir nutzen“, so Prof. Dr. Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sowie Professorin an der Leuphana Universität Lüneburg. „Das Urteil schafft endlich juristische Klarheit und macht deutlich, dass Freiheit nicht nur immer die Freiheit der anderen, sondern eben auch die Freiheit der künftigen Menschen meint.“ (https://clubofrome.de/klimaschutzurteil/)
Was bedeutet das Urteil für Stutensee?
Das Urteil bezieht sich auf das Klimaschutzgesetz des Bundes. Dennoch wird das Urteil ebenso unmittelbar auf Kommunen Auswirkungen haben. So sind die Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG und Art. 20a GG natürlich auch von den kommunalen Entscheider*innen zu beachten. Prof. Dr. Uwe Schneidewind, Oberbürgermeister der Stadt Wuppertal, hat sich auf der Internetseite des Club of Rome wie folgt geäußert (https://clubofrome.de/klimaschutzurteil/): „Auch für den kommunalen Klimaschutz ist das gestrige Urteil bedeutend: Die nötigen Bundes-Nachbesserungen werden auch in die Städte ausstrahlen. Zudem spricht jetzt vieles dafür, Klimaschutz als “Pflichtaufgabe” von Kommunen zu verstehen.“ Pflichtaufgaben sind zwingend von den Kommunen umzusetzen, im Gegensatz zu den sogenannten freiwilligen Aufgaben.
Wir in Stutensee sollten daher nicht auf das neue Klimaschutzgesetz warten. Jede Maßnahme sollte ab sofort auf die Auswirkungen auf den Klimaschutz überprüft werden. Sind die Auswirkungen positiv, negativ oder neutral? Die Informationen hierüber sind dem Gemeinderat vor seiner Entscheidung öffentlich zur Verfügung zu stellen. Nur dann kann eine Entscheidung getroffen werden, welche dem verfassungsrechtlichen Auftrag entspricht.
Wir benötigen dringend den Klimaschutz als übergeordnetes Ziel des Stadtentwicklungsplans. In Offenburg wurde Anfang des Jahres öffentlich über sinnvolle, konkrete Maßnahmen zum Klimaschutz diskutiert. Die Jugend wird hierfür aktuell gesondert über ein Jugendforum um Stellungnahme und Vorschläge gebeten. Der Stadtentwicklungsplan in Stutensee ist in der Vorbereitungsphase. Wir sollten uns bei seiner Erstellung und den damit einhergehenden Diskussionen explizit zum Thema Klimawandel an Offenburg orientieren.
Ausblick
Spannend werden die Auswirkungen des Urteils auf Europa und die Welt sein. Das BVerfG hat seiner Entscheidung das Urteil des niederländischen Gerichtshofs von 20.12.2019 zugrunde gelegt. Die rechtlichen Grundlagen sind gerade in Europa vergleichbar, so dass davon ausgegangen wird, dass auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg und der EuGH sich daran künftig orientieren werden.
Etwas traurig stimmt es, dass solche Gerichtsentscheidungen überhaupt erforderlich sind, obwohl seit Jahren die Jugend auf die Straße geht und die wissenschaftlichen Fakten auf dem Tisch liegen.
Susanne Suhr
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